Angst

vor ihr müssen wir uns fürchten
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372 g
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226x147x15 mm
Beschreibung:

Fischer, Jeannette
Jeannette Fischer arbeitet seit 1986 als Freudsche Psychoanalytikerin in Zürich. Sie beschäftigt sich seit langem intensiv mit Gewalt, Angst und Macht. Dazu hat sie auch Ausstellungen kuratiert und zwei Dokumentarfilme gedreht. Ihr Buch Psychoanalytikerin trifft Marina Abramovic wird im Februar 2018 bei Scheidegger&Spiess, Zürich, in Deutsch und Englisch erscheinen.
Die Angst ist ein Bindemittel menschlicher Beziehung.
Sie konstituiert und stabilisiert die bestehenden
Machtverhältnisse. Sollen diese nicht gefährdet werden,
darf sie an Bedeutung nicht verlieren.
Der gängige Diskurs, der Beziehungen definiert und
etabliert, ist ein hierarchischer. Seien es politische, gesellschaftliche
oder jene zwischen zwei Individuen - Beziehungen
werden im Gefälle eingerichtet. Die Angst
hat in diesem Narrativ eine beachtliche Hebelfunktion.
Als Folge der Entmachtung der Aggressionen im Dienste
des Ich bleibt sie unentbehrlich für die Regulierung
hierarchischer Beziehungen. Diese Aggressionen ermöglichen
uns, mit einem Schrei auf die Welt zu kommen,
uns gestalterisch in diese einzumischen und als eigenständiges
und verantwortliches Subjekt Entwicklung
und Entfaltung zu erwirken. Die Entbehrung dieser Aggressionen
bedeutet Ohn(e)macht - und das ist Angst.
Der bestehende Schuld- und Opferdiskurs ist mass geblich
verantwortlich für deren Enteignung. Die gängige
Annahme, dass die Angst ein Gefühl ist, ein lebensnotwendiges
Gefühl, das uns vor Gefahren schützt, vermag
uns Einblick zu geben in ihre Wichtigkeit und Unentbehrlichkeit
für die bestehenden Machtverhältnisse.
Es ist nicht die Angst, die uns vor Gefahren schützt, es
ist die Furcht. In der Furcht haben wir keine Angst: Die
Aggressionen im Dienste des Ich bleiben dabei unbeschädigt.
Damit kommt der Angst eine ganz andere
Bedeutung zu: Sie ist nicht Indikator einer bevorstehenden
Gefahr, sondern einer bestehenden Form von
Gewalt, mit der Hierarchien geschaffen und Machtverhältnisse
eingerichtet werden. Die Angst ist ausschliesslich
ein Bindemittel hierarchischer Beziehungen - und
kein Schutzfaktor. Es ist die Angst, die gefürchtet werden
muss.
Im intersubjektiven Diskurs ist die Unterscheidung der
Individuen nicht mehr im hierarchischen Gefälle ablesbar,
sondern in der Gleichwertigkeit der Differenz. Die
Anerkennung des Andern als anders als Ich, als Nicht-
Ich, bleibt das einzig Verbindende. In dieser Dynamik
wird ein Raum der Kommunikation, des Konfliktes und
des Begehrens eröffnet. In diesen Beziehungen wird
nicht die Schuld und nicht die Angst als verbindendes
Element eingesetzt, sondern die Anerkennung der Differenz.
Intersubjektive Beziehungen erfordern Arbeit, viel Arbeit
an sich selber - und nicht am Anderen -, um die
Verortung als Subjekt ständig zu regulieren, die Differenz
und gleichzeitig die Variabilität von Ich auszuhalten,
ja auszuhalten, Ich im intersubjektiven Raum erst
zu konstituieren.
Dieser Paradigmenwechsel ermöglicht Subjekt der Aggression
zu werden und nicht ein Objekt der Angst. Er
bedeutet, die Verantwortung für die eigenen Aggressionen
zu übernehmen und sie nicht über Projektionen
auszulagern, um dann als Opfer Schuld zuweisen zu
können. Gesellschaft, Kultur und Frieden gelingen in
der Bestätigung, dass das einzig Verbindende zwischen
Menschen die Differenz ist.

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