Dr. Doris Tillmann, Kieler Volkskundlerin, arbeitete als freie Kulturwissenschaftlerin vorwiegend zu landes- und kulturhistorischen Themen, war wissenschaftliche Mitarbeiterin des Schleswig-Holsteinischen Landesmuseums und ist seit 2004 Direktorin des Kieler Stadt- und Schifffahrtsmuseums und Leiterin des Stadtarchivs Kiel.

Menschen und ihr Alltagsleben sind Motive, die im Medium historischer Ansichtskarten Seltenheitswert haben, denn die Fotografie Anfang des 20. Jahrhunderts eignete sich noch nicht gut für solche Aufnahmen. Zumeist sind daher unbelebte Straßenzüge zu sehen, die einen Einblick in das historische Stadtbild geben. Die Auswahl aus der großen Ansichtskartensammlung Wolfgang D. Kuessner aber zeigt darüber hinaus Aufnahmen vom Treiben auf Kiels Straßen, vor den Geschäften und Schaufenstern, Menschen bei der Arbeit in den verschiedensten Berufen oder in der Freizeit, etwa in den zahlreichen Cafés oder beim Sport. Sie lenkt den Blick in die Werkstätten, Kontore und Verkaufsräume einstiger Kieler Traditionsfirmen. Zu sehen sind Kinder in Matrosenanzügen und Damen in modischen Kostümen der Jahrhundertwendezeit ebenso wie frühe Straßenbahnen oder die ersten Flugzeuge auf dem Nordmarkfeld. In den bisher nicht veröffentlichten Detailansichten Kiels öffnet sich ein Kaleidoskop städtischen Lebens aus dem ersten Drittel des 20. Jahrhunderts. Kiel zeigt sich dabei als eine junge Großstadt, deren urbane Modernität und ungebrochener Fortschrittsglaube auch 100 Jahre später noch faszinieren.